20 JAHRE MOODS, Sonderbeilage vom Mittwoch, 28.11.2012, Tages Anzeiger
text by ©Sarah Bleuler
Der Zirkusdirektor
Goran Potkonjak veranstaltet seit Jahren Balkankaravan im Moods. Zürich ist eigentlich nur Zwischenstation.
Irgendwann brauchte Goran Potkonjak ein Foto von sich. Eines, das den Mann hinter Balkankaravan zeigt. Er installierte seine Kamera und rief seine Mutter. Mama Potkonjak betätigte verunsichert den Auslöser, schaute auf das Bild und bemerkte: „Du siehst aus wie ein Zirkusdirektor.“
„Treffender hätte sie es nicht ausdrücken können“, sagt Goran Potkonjak. Er beschreibt sich selber als Zirkusdirektor, wenn er über seine Balkan-Abende im Moods spricht. Als Beispiel dafür steht die visuelle Sprache von Balkankaravan. Goran Potkonjak hatte eine Idee von musizierenden Tieren im Kopf, angelehnt an die Bremer Stadtmusikanten, eine Geschichte die man sich auch im Balkan erzählt. Diese Idee war der einzige Input an Grafiker Marc Kappeler der Agentur Moiré. Und: „Mach was, das man ins Museum hängen kann.“ Kappeler entwickelte eine mehrfarbige Schrift und in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Claudia Blum eine Parade von fünf musizierenden Tieren. Goran sagt, die künstlerische Freiheit sei entscheidend: „Ich könnte einem Seiltänzer seine Nummer auch nicht vorzeigen“. Kappeler erledigte seinen Auftrag: Das Museum für Gestaltung nahm die Plakate in seine Sammlung auf, und einige der Arbeiten waren 2012 im Rahmen der Ausstellung „100 Jahre Schweizer Grafik im Museum für Gestaltung Zürich“ zu sehen.
Harter Start auf Sofas von Bekannten
Goran Potkonjak, 44, Bart, lebendige braune Augen, verheiratet, erzählt viel und schnell. Selbstbewusst, stolz und stilvoll tritt er auf. Er bedient sich oft englischer Ausdrücke, ein feiner Akzent verrät seine serbokroatische Herkunft. Potkonjak wuchs in Zagreb auf, 1991, ein halbes Jahr bevor in Teilen des heutigen Ex-Jugoslawiens der Krieg ausbrach, entschied sich der gelernte Fotograf seine Heimat zu verlassen. „Ich hatte früh gespürt, dass mein Platz woanders ist“, erzählt er. Sein Vater begleitete ihn auf der Reise nach Europa, zusammen fuhren sie los. Richtung: Westen. Ziel: Irland. Im Auto hörten sie Yello. Musik aus Zürich, aber das wussten sie gar nicht. In der Schweiz gefiel es Goran Potkonjak ganz gut, und als sein Vater zurück nach Zagreb fuhr, blieb er in Zürich. Es dauerte seine Zeit bis er sich eingelebt hatte und sich heimisch fühlte. „Der Start war tough, er hat mich geprägt“, sagt Goran. Er war ständig unterwegs, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, schlief auf Sofas von Bekannten.
Geprägt hat Goran Potkonjak auch die Musik, schon in Kroatien war sie ein wichtiger Bestandteil seiner Jugend. „Mitte der 80er hörten wir Depeche Mode, U2 und die Dead Kennedys. Wir waren 16 Jahre alt und obercool“, erzählt er: „Als ich damals zum ersten Mal traditionellen Balkan Brass aus Südserbien entdeckte und diesen meinen Freunden zeigte, erntete ich nur mitleidige Blicke und hämische Kommentare.“ Schnell steckte der junge Potkonjak die Kassetten weg.
Zehn Jahre nach seiner Ankunft in Zürich arbeitete er neben seiner Tätigkeit als Fotograf im Restaurant La Salle. Eines Abends hörte er per Zufall nebenan im Moods ein Balkankonzert. Erinnert an seine Entdeckung der Jugend „und nicht mehr ganz so obercool“ realisierte er, dass die Zeit reif war. Er packte seine Fotoausrüstung und ging nach Serbien auf Recherche. An einem Brass Band Festival im westserbischen Guča, entdeckte er das Boban i Marko Marković Orkestar, 2002 spielte dieses auf seine Initiative zum ersten Mal im Moods.
Mit 37 Jahren versuchte sich Goran Potkonjak zum ersten Mal als DJ. Was er hörte, beflügelte ihn, er wollte schon Shantel, den King of Balkan-Pop, um einen halbstündigen Slot an seiner Bucovina Club Party im Xtra bitten. Doch er hatte die Rechnung ohne Daniel Schneider gemacht, dem damali-gen Programmleiter des Moods: „Warum im Xtra und nicht bei uns im Moods?“ So kam es, dass Goran Potkonjak sich auf dem Nachhauseweg ein Konzept zurechtlegte und zusagte.
Goran Potkonjak und das Moods: Er nennt es eine „lange Liebesgeschichte“. Pünktlich zur Eröffnung des Jazzclubs in Selnau kam er nach Zürich und war schon vor 20 Jahren regelmässiger Besucher. „So was wie mit dem Moods, das passiert mir nur einmal im Leben“, ist er überzeugt. Dass er heute traditionelle Balkanmusik im Zürcher Konzert- und Clubleben hö-ren und spielen darf, mache ihn glücklich. Er findet so seine Wurzeln in einer anderen Welt, die er inzwischen seine Heimat nennt, wieder. Und wenn sogar Schweizer Musiker Einflüsse aus dem Balkan aufnehmen und in ihre Musik implementieren, so sei das für ihn das Grösste.
Während Shantel und sein Bucovina Club im Xtra inzwischen der Lollipop Party weichen mussten, steht Zirkusdirektor Goran Potkonjak im Moods noch immer regelmässig hinter den Plattentellern. Und sorgt dafür, dass die Leute in seiner Manege tanzen.